Kritik: Tad Williams – Die dunklen Gassen des Himmels

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Engel und Teufel, die Anwälte des Himmels und der Hölle, ringen nach jedem Tod um die Seelen der Verstorbenen. Der Engel Bobby Dollar treibt sich neben seinen Geschäftsreisen zu den Opfern von Autounfällen vor allem in himmlischen Bars herum. Alles geht seinen gewohnten Gang, bis eines Tages die Seele eines Toten verschwunden ist. Hat die andere Seite sie gestohlen? Waren es Hintermänner im Himmel? Ein neues Kapitel im Krieg zwischen Himmel und Hölle beginnt, und Bobby steckt mittendrin.

Williams_Die_dunklen_Gassen_des_HimmelsIch liebe Tad Williams‘ Fantasy. Williams Bücher Das Geheimnis der Großen Schwerter haben mich zur Fantasy gebracht – vor allem zur epischen High-Fantasy. Noch heute gehören sie zu meinen absoluten Favoriten. Mit Otherland streunte ich mit Williams durch die Cyber-Welt und mit dem Blumenkrieg kehrte ich mit ihm zur Fantasy zurück. Die Shadowmarch-Bücher habe ich zur deutschen Erstauflage nur verschmäht, weil die Hardcover einfach unglaublich teuer waren und sind. Also wollte ich mit Die dunklen Gassen des Himmels zurück zu einem meiner Lieblingsautoren finden. Und das hat leider nicht funktioniert. Was aber nicht an Tad Williams liegt.

Williams schreibt wie gewohnt einfallsreich, flott und unterhaltsam. Seine Charaktere sind echt und sympathisch. Der Hauptcharakter und Ich-Erzähler Bobby Dollar schwebt irgendwo zwischen ironisch-sarkastisch und nachdenklich-optimistisch. Man hat ihn sofort gern, und leidet und freut sich mit ihm. Die Story ist gut durchdacht. Der Krimiaspekt „Wer hat die Seele geklaut?“ ist schlüssig und ließ zumindest mich bis zum Ende miträtseln. Also nix da mit: Nach der Hälfte des Buches schon wissen, das der Butler der Mörder ist. Die Verbindung der realen Welt mit der des Himmels und der Hölle ist originell. An einigen Stellen blitzt die umfangreiche Recherchearbeit des Autors durch, die er gemacht haben muss, um die religiösen Aspekte und Anspielungen gut rüberzubringen. Williams bringt auch genug Verwicklungen und unbeantwortete Fragen unter, die auf noch rasantere Episoden in den folgenden Büchern hoffen lässt.

Was also ist das Problem? Das Problem bin ich. Erstens: Ich bin – mit wenigen Ausnahmen – kein Fan von Urban Fantasy. Dazu liebe ich es zu sehr in komplett neue, aufregende Welten einzutauchen und ihre Eigenarten und Regeln zu verstehen. Mir ist die wahre Welt einfach zu langweilig, um über sie zu lesen. Damit muss ich mich schon den ganzen restlichen Tag rumschlagen. Für mich ist Lesen auch eine Flucht aus der Realität, mit der ich beim Lesen eben nicht belästigt werden möchte. Zweitens: Ich mag keine Krimis. Die Suche nach einem Mörder – oder in diesem Fall einem Seelendieb – fesselt mich einfach nicht so sehr. Es sollte schon darum gehen die Welt zu retten oder sie zu erobern. Auch mit persönlichen Rachefeldzügen kann ich mich anfreunden. Alles andere ist mir nicht episch genug.

Fazit: Wer Urban Fantasy mit einem guten Klacks Krimi, einer kreativen und auf gar keinen Fall kitschigen Umsetzung des Himmel/Hölle-Themas und einem sympahtischen Hauptcharakter mag, dem sei Die dunklen Gassen des Himmels wärmstens empfohlen. Wer so einen engstirnigen Fantasy-Geschmack hat wie ich, der sollte die Finger davon lassen.

Autor: Tad Williams
Titel: Die dunklen Gassen des Himmels
Originaltitel: The dirty Streets of Heaven
Verlag: Hobbit Press, Klett-Cotta, Stuttgart
Ausgabe: Zweite Auflage, 2013
ISBN: 978-3-453-53113-0