Kritik: Joe Abercrombie – Kriegsklingen

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Eine Inhaltsangabe zu Joe Abercrombies Kriegsklingen zu verfassen ist ungefähr das gleiche als solle man aus den Einzelteilen eines Puzzels das fertige Gesamtbild beschreiben aber die Puzzleverpackung ist weg. Dort sticht dir etwas ins Auge, hier sind vielleicht schon einige Teile zusammengefügt aber was das Ganze wirklich ergeben soll, kannst du höchstens erahnen.Genau so schreibt Abercrombie. Seine Puzzleteile sind seine Hauptfigur. Ausgefeilte Charaktere fern von jeglichen gängigen Fantasy-Klischees aber wiederum auch nicht so anti, dass sie schon wieder stereotyp wirken. Sand dan Glokta ist einer von ihnen. Der Krüppel, der seinem Heimatland als Inquisitor dient. Der sein Tun und das Handeln anderer Personen ständig in Gedanken sarkastisch kommentiert. Gerade diese Kommentare gewähren dem Leser einen scharfen Einblick in das Denken und Fühlen der von Abercrombie geschaffenen Welt. Die Welt ist zunächst einmal die Union. Das Land einer korrupten, arroganten und elitären Oberschicht, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Das Land einer Regierung die Recht und Gesetzt so biegt wie es ihr eben passt. Und der König, der dieses Land lenken soll, ist nur ein sabberndes Wrack – nur noch ein Aushängeschild, mehr nicht. Diese Gesellschaft scheint trotz all ihrer Zivilisiertheit kurz vor dem Zusammenbruch zu sehen.

Ein wahres Produkt dieser Gesellschaft ist der junge adelige Soldat Jezal dan Luthar. Ein arroganter Schnösel, dessen Welt sich nur um sich selbst dreht, und dessen einziges Ziel der Aufstieg in dieser überheblichen Gesellschaft ist. Abercrombie schafft es diese Figur irgendwo zwischen Verachtung und leisen Stolz anzusiedeln. Man will ihn entweder ohrfeigen oder ihm auf die Schulter klopfen. Er ist ein gutes Beispiel dafür was der Autor ebenfalls wunderbar beherrscht: Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen zu lassen. Es gibt keine klare Trennlinie. Der grausame Inquisitor Glokta ist eine der Hauptsympathieträger, obwohl er Menschen foltert ohne mit der Wimper zu zucken. Der schneidige Major West. Aus einfachen Verhältnissen stammend, hat er sich mühsam in der Militärhierarchie hoch gekämpft – trotz alle Widerstände gegen einen solchen Emporkömmling. Der typische Underdog. Und gerade bei ihm tun sich dunkle Tiefen auf.

Abercrombie schafft es mit den Handlungen seiner Charaktere zu überraschen gerade wenn man denkt, dass man sie kennt. Aber die Wendungen der Figuren bleiben dennoch authentisch und nachvollziehbar. Da verwundert nicht, dass der wirkliche Antagonist dieser Welt im Dunklen bleibt. Die Union wird zwar von den Nordmännern unter ihren Führer Bethold angegriffen, aber ihn so wirklich als die große Bedrohung einzustufen, dafür ist er in der Geschichte zu wenig präsent. Die Kriegsvorbereitungen bilden mehr das Hintergrundrauschen für die Geschichten der Charaktere und so bleibt der grausame Anführer der Nordmänner auch nur ein weiteres Puzzlestück, aber sicher nicht das ausschlaggebende.

Fazit: Eigentlich passiert nicht wirklich viel, aber Abercrombie schafft es, mit seinen grandiosen Charakteren und Wendungen abseits gängiger Fantasy-Wege seine Leser von einer Seite zur nächsten zu jagen. Wer Georg R. R. Martin und sein Das Lied von Eis und Feuer zu seinen Lieblingsbüchern zählt wird auch Abercrombie lieben. Epische Fantasy vom Feinsten.

Autor: Joe Abercrombie
Titel: Kriegsklingen
Titel der Originalausgabe: The Blade Itself (The First Law: Book One)
Ausgabe: 5. Auflage Deutsche Erstausgabe 01/2007
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag, München
ISBN: 978-3-453-53251-9

3 Kommentare

  1. Genau deinen Blog hab ich gesucht!!!

    🙂

    Abercrombie macht mir Gedanken, weil jetzt ein fünftes angekündigt wurde… ich kann Bücher nicht leiden die ne Triologie sind und am Ende doch ne Serie werden…

    Ich sag nur Orks, Elfen, Zwerge, Trolle, IhreMütter, etc…

    Ggf wäre ne Bestandsaufnahme als ersten Post auch geil!

    Kane, Elric, Drachenbeinthron, Waylander, was gibt es noch in deinem Regal?

    Gruß

    Fen (http://nagelfar.org)

  2. Das vierte Abercrombie-Buch (Racheklingen, Best Served Cold) steht bei mir noch auf der To-Do-Liste. Ich bin auch eher skeptisch was die künstliche Verlängerung einer Geschichte angeht. Aber es soll ja keine wirkliche Fortsetzung sein, sondern nur in der gleichen Welt spielen.

    Ne Bestandsaufnahme über meinen Bücherschrank könnte schwierig werden, weil er quasi aus meinem, dem meiner Freunde und meiner Bibliothek besteht 🙂 Aber nach und nach werde ich auf jeden Fall auch ältere Bücher aus meinem Regal hervorkramen und sie vorstellen. Ich versuche hin und wieder Parallelen und Querverweise in meine Kritiken einzubauen, damit jeder noch ein wenig weiter nach neuem Stoff für seine Lesesucht suchen kann.

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