Kritik: Holly Lisle – Drachensaat

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Holly Lisles Drachensaat führt uns in ein blühendes Reich, von Zauberern beherrscht. Doch die Macht ihrer Magie kommt aus einer dunklen Quelle. Sie ermorden Sklaven, nehmen Fleisch, Blut, Knochen und sogar die Seele, um damit die Magie zu nähren, auf der die gesamte Gesellschaft basiert. Der Junge Wraith schafft die Flucht aus einem der Sklavenviertel. Zusammen mit seinem Freund dem jungen Zauberersohn Solander versucht er die Sklaven zu befreien.

Auch wenn die Idee Menschen als lebende Batterien zu missbrauchen spätestens seit Matrix nicht mehr originell ist, ist sie dennoch ein spannender Dreh und Angelpunkt für eine gute Geschichte. Denn Rebellion ist immer ein gutes Thema für einen Fantasy-Roman. Es definiert die Fronten: Gut gegen Böse. Der Leser identifiziert sich sofort mit einer Seite. Doch trotz dieser soliden Basis ist Drachensaat einfach keine runde Geschichte. Das beginnt schon direkt auf den ersten Seiten bei der Hauptperson Wraith. Durch einen unglaublichen Zufall ist er gegen die magischen Drogen, mit denen die Sklaven betäubt werden, immun. So weit so gut. Doch obwohl er sein Leben quasi allein unter zugedröhnten Zombies verbringt, entwickelt er moralische Begriffe wie Freundschaft, Zuneigung und Freiheit. Ohne das jemals jemand überhaupt mit ihm spricht. Das Motiv des Autodidakten ist in der Fantasy leider weit verbreitet. Von dem magisch begabten Kind, das auf einmal Steine fliegen lässt, bis zu schon im Mutterleib Verkrüppelten, die aus einem Buch einen Jiu-Jitsu-ähnliche Kampfstil lernen, ist alles schon vorgekommen. Ohne jegliches Vorbild zu einem 15jährigen Jungphilosophen zu werden ist einfach zu viel.

Während die Geschichte ihren Fortgang nimmt, stolpert man immer wieder über solche Chrakterwendungen, die einfach nicht plausibel sind. Außerhalb seltsamer Entscheidungskapriolen bleiben die Charaktere oberflächlich und wachsen niemanden ans Herz. Zusätzlich bekommt der Leser das Gefühl, dass es sich die Autorin zu einfach gemacht hat. Die Zauberer sind natürlich das große Feindbild schlechthin. Die wenigen Mächtigen, die dann doch das Gewissen packt, lässt Lisle ohne Kommentar einfach aus der Geschichte verschwinden. Als Wraith versucht die Gesellschaft durch Theaterstücke versteckt auf die Missstände aufmerksam zu machen – eine wunderbare Idee die Gesellschaft gewaltlos zu verändern – springt die Autorin von den frühen Anfängen einfach mitten in die laufende Revolution. Auf einmal hat er ein blühendes Untergrundnetz. Die spannende Phase so ein Netz aufzubauen und in einem Staat, der jeden Bürger magisch überwachen kann, geheim zu halten wird ohne mit der Wimper zu zucken übergangen. Das Ende ist vorhersehbar und viel zu plump, auch hier hat es sich die Autorin meiner Meinung nach zu einfach gemacht.

Fazit: Drachensaat hat eine solide Grundidee und schönes Beiwerk mit einer kleinen Hommage an die Macht, die Kunst in einer Gesellschaft ausüben kann, aber das Buch schafft es nicht zu fesseln. Zu viele Stolpersteine, zu wenig Gefühl für die Charaktere. Gott sei Dank, war das Buch bloß ausgeliehen.

Autor: Holly Lisle
Titel: Drachensaat
Titel der Originalausgabe: Vincalis, The Agitator

Ausgabe: Deutsche Erstveröffentlichung 2006
Verlag: Blanvalet, München
ISBN: 978-3-442-24