Die Händler von Bingtown schloßen einen Pakt mit dem Drachen Tintaglia. Doch nun ist die Drachenkönigin verschwunden und die neugeborenen Drachen sind dumm und verkrüppelt. Eine Gruppe Ausgestoßener wird damit beauftragt die Drachen in ihre alte Heimat zu bringen: Kelsingra.
Wie bei Die Zauberschiffe erzählt Robin Hobb die Geschichte der Drachenwanderung aus der Sicht verschiedener Charaktere. Darunter die des jungen Mädchens Thymara, die von der Regenwildnis so stark gezeichnet wurde, dass sie eigentlich nach der Geburt hätte sterben sollen. Oder die der Händlertochter Alise, die ihre Bestimmung darin sieht die Drachen und die Uralten zu erforschen. Auch aus der Sicht der Drachen finden sich einige Kapitel, die den Unterschied zwischen Drachen und Menschen sehr deutlich machen.
Denn bei Robin Hobb sind Drachen nicht einfach schuppige Menschen. Sie denken und fühlen anders, ihr Verständnis der Welt ist grundverschieden. Für die Drachen sind Menschen nur kleine Arbeitsbienen, denen sie sich bedienen können – keine Ebenbürtigen. Zuneigung zu einem Menschen zu empfinden ist sinnlos und beschämend. Dieser Unterschied ist einer der großen Trümpfe der Hobb-Bücher. Denn zu oft verkommen die legendären Sagengestalten und Rassen zu einem bloßen Abklatsch eines Menschen – sei es mit spitzen Ohren oder langen Bärten. Ihnen fehlt die Fremdartigkeit, die sie auszeichnen und abhebene sollten, um dann in der Fremdartigkeit Gemeinsamkeiten zu finden.
Die verschiedenen Sichtweisen sind eine der Stärken der Bücher. Zum Ende hin schränkt Hobb die Perspektivenwechsel jedoch etwas ein und fokussiert sich vor allem auf Alise und Thymara. Das gibt der Geschichte einen klareres Zentrum, lässt die anderen Charaktere aber etwas zu Ende erzählt und damit abgehakt am Rande verschwinden. Thymaras Liebesprobleme hätten etwas knapper gefasst werden können, um einem anderen Charakter mehr Spielzeit zu geben.
Insgesamt wirken die vier Bücher etwas lang. Obwohl sich die Bücher super lesen, Hobb wie gewohnt eine tolle Welt auf die Seiten zaubert und die Charaktere stimmig und variantenreich sind, fehlt das Tempo. Dafür ist die Geschichte vielschichtig: Es geht vom Thema Liebe und Moral bis zur Frage wie eine Gesellschaft aussehen soll ohne dabei dröge zu werden oder den mahnenden Zeigefinger zu schwingen. Wer aber bei seiner Lektüre gerne von einer Katastrophe in die nächste schlittert, wird mit der Regenwildnis-Saga nicht glücklich. Wem World Building wichtig ist, sieht hier eine neue Welt entstehen.
Schade ist, dass der erste Band der Serie Drachenhüter von Heyne schon nicht mehr produziert wird, bevor das dritte und vierte Buch auf Deutsch erschienen sind. Bei Heyne selbst steht das Buch zwar noch auf dem Status lieferbar, unter Buchkatalog.de steht das Buch jedoch unter „vergriffen, Verlag plant keine Neuauflage“. Das lieferbar bezieht sich wohl auf die Kindle-Edition, die es immerhin noch gibt. In der Autoren-Übersicht sind die Bücher erst gar nicht aufgeführt. Falls sich also jemand die deutschen Bücher in sein Regal stellen möchte, ist er auf Gebrauchte angewiesen. Eine Nachfrage bei Heyne, ob eine Neuauflage geplant ist und wann die nächsten Bände ins Deutsche übersetzt werden blieb unbeantwortet.
Ebenso schade ist die Coverauswahl: absolut einfallslos. Mal wieder ein Mann mit Kapuze. Diesmal wenigstens keine ominöse Schattengestalt. Das Cover des ersten Buchs ist bei Heyne im Pressebereich schon gar nicht mehr zu bekommen. Der zweite Teil hat außerdem mit Drachenkämpfer – im Original Dragon Haven – einen vollkommen unpassenden Titel. Vor allem im Vergleich zu dem wirklich schönen amerikanischen oder britischen Covern (oben die DE-Version, US und UK) ist es wirklich zum Verzweifeln. Das Cover eines Buches sollte doch die Essenz der Geschichte einfangen und im Buchladen zum Zugreifen animieren. Solche 0815-Cover erreichen bei mir leider das genaue Gegenteil. Dann geht dem Bücherschrank mit dem Kauf des eBooks nichts verloren.
Autor: Robin Hobb
Titel: Dragon Keeper, Dragon Haven, City of Dragons, Blood of Dragons
Verlag: Harper Collins
Ausgabe: Englische Ausgabe, 2010 bis 2013
ISBN: 978-00-6156-1658, 978-00-6193-1413, 978-00-6156-1696, 978-00-6211-6857