Napoleon versetzt mit seinen Truppen ganz Europa in Angst und Schrecken. Der Krieg tobt zu Lande, zu Wasser – und in der Luft. Denn in dieser Welt sind Drachen die gefürchtete Luftwaffe jeder Nation, die den Lauf der Geschichte entscheidend beeinflusst. Mittendrin der Drache Temeraire und sein Kapitän wider Willen William Laurence.
Naomi Novik erkundet mit ihrer Serie Die Feuerreiter Seiner Majestät ein spannendes Was-wäre-wenn-Szenario: Was wäre wenn es zur Zeit der Napoleonischen Kriege Drachen als Luftstreitkraft gegeben hätte. Ich mag solche alternative Erzählungen der Geschichte. Sie halten den Leser damit am Wickel, dass er grob weiß oder zu wissen glaubt, was passieren wird. Damit ist großes World Building – bis auf die neue Komponente – überflüssig und der Autor kann direkt in die Charaktere und die wilden Plot-Wendungen einsteigen.
Novik stellt den Marine-Kapitän Will Laurence und den Drachen Temeraire in das Zentrum ihrer Erzählung. Ein Pärchen wider Willen, den eigentlich will Laurence lieber ein Schiff befehligen als sich mit einem eigensinnigen Drachen rumschlagen – zumindest zu Beginn. Die Dynamik zwischen dem Kapitän und seinem Drachen macht ab der ersten Begegnung Spaß. Beide entwickeln sich weiter und zwischen ihnen entsteht eine enge Freundschaft. Der Kapitän erkennt, dass Drachen mehr sind als bloßes Kriegsgerät mit zwei Flügeln. Während sich Temeraire zu einem intelligenten aber auch recht eigensinnigen Drachen entwickelt. Vor allem das Heranwachsen des Drachen ist spannend zu begleiten. Wie er sich durch die moralischen Windungen der englischen Offiziersehre und der schlechten Behandlung seiner Mit-Drachen kämpft, ist wunderbar geschrieben.
Richtig Schwung bekommt die Geschichte vor allem bei den packend geschriebenen Luftkämpfen. Man schmeckt förmlich das Schwarzpulver und hört das Donnern der Schiffskanonen. Dem zugrunde liegen solide Recherche über die Strategien und Möglichkeiten der damaligen Kriegstechnik kombiniert mit einer guten Prise Fantasie, was mit Drachen möglich sein könnte.
Neben den Schlachten und Scharmützeln liegt der zweite Fokus von Noviks Geschichte auf den verschiedenen Staaten und ihrem Umgang mit den Drachen, die mal mehr mal weniger als intelligente Spezies anerkannt werden. Die moralischen Fragen zu einer Koexistent zwischen Mensch und Drachen begleiten den Leser durch alle Bücher hinweg. Vor lauter philosophischer und sozialkritischer Diskussionen zwischen Laurence und Temeraire verliert die Geschichte jedoch hin und wieder an Tempo. Im Laufe der bisher erschienen acht Bücher bereisen die beiden quasi jeden Kontinent und setzen sich dort immer wieder mit den gleichen Fragen auseinander. Die verschiedenen Kulturen sind schillernd beschrieben, aber mir kam es dann doch so vor als würde sich zu viel wiederholen. Vor allem am Anfang des fünften Buches Drachenwacht wird hauptsächlich geredet und herumgessesen. Da kann sich die Großartigkeit und Einzigartigkeit eines Drachen kaum entfalten.
Dabei hält sich Novik die ganze Zeit über recht nah an den wirklichen geschichtlichen Ereignissen. Mit manchen Daten ist sie etwas flexibel, aber in einer alternativen Realität ist dies meiner Meinung nach kein Manko. Der Einfluss der Drachen auf eine Gesellschaft ist in den verschiedene Ländern unterschiedlich und gut durchdacht geschildert. Weil alle Länder Drachen haben, ist der Einfluss auch wiederum nicht so groß, dass er zum Zeitpunkt der Geschichte den Verlauf komplett ändert. Das kann man bedauern, mir gefiel die Mischung.
Blanvalet bewirbt das Buch als All-Age-Geschichte. Ich bin kein Fan solcher Klassifizierungen. Mit 13 habe ich Stephen King gelesen und heute greife ich noch gerne zu Michael Endes Die Unendliche Geschichte. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Ich würde Noviks Bücher eher als leichtere Fantasy einordnen, unterhaltsam, kurzweilig und auf jeden Fall ihre Zeit wert.
Autor: Naomi Novik
Titel: Drachenprinz, Drachenzorn, Drachenglanz, Drachenwacht, Drachenflamme, Drachengold, Drachenfeind
Verlag: Blanvalet
Ausgabe: Deutsche Ausgabe, 2007 – 2014
ISBN: 978-3-442-24443-0, 978-3-442-24444-7, 978-3-442-24445-4, 978-3-442-26572-5, 978-3-7645-3015-0, 978-3-7645-3016-7, 978-3-7645-3073-0, 978-3-7645-3074-7